Im vergangenen Jahr 2024 sind im Bereich der Urheberrechtsabgaben einige wichtige Gerichtsentscheidungen des Oberlandesgericht München und des Bundesgerichtshofs (BGH) ergangen, die Sie kennen und berücksichtigen sollten! Auch der Gesetzgeber wurde aktiv, und hat endlich eine empirische Untersuchung zur Nutzung von Geräten und Speichermedien für die Anfertigung von Privatkopien in Zeiten von Streaming und Cloud beauftragt, deren Ergebnisse möglicherweise schon bald vorliegen.
Mit Urteil vom 15. März 2024 (Az. 38 Sch 58/22 WG e) hat das OLG München in einem von Vy – Rechtsanwälte geführten Musterverfahren entschieden, dass die von uns vertretene SecureCloud GmbH für die von ihr angebotenen Cloud-Dienstleistungen (u.a. Online-Speicherplatz / Storage) keine Urheberrechtsabgabe an die ZPÜ und die deutschen Verwertungsgesellschaften bezahlen muss! Dieses Urteil hat der Bundesgerichshof mit Beschluss vom 10. Oktober 2024 bestätigt und die Nichtzulassungsbeschwerde der ZPÜ zurückgewiesen!
Das Urteil des OLG München ist damit rechtskräftig und es steht fest, dass de lege lata für Cloud-Dienste keine Urheberrechtsabgabe nach §§ 54 ff. UrhG geschuldet ist! Die Bestätigung durch den BGH in diesem Präzedenzfall gibt dem von uns erstrittenen Urteil des OLG München zusätzliches Gewicht und schafft insoweit eine klare Rechtslage.
Mehr dazu:
Bereits mit Urteil vom 10.11.2022, Az. I ZR 10/22 – rakuten.de hat der Bundesgerichtshof BGH entschieden, dass Online-Marktplätze wie rakuten.de nicht als Händler und Importeure i.S.v. 54b Abs. 1 UrhG der Verpflichtung zur Zahlung der Urheberrechtsabgabe (Geräte- und Speichermedienabgaben) nach §§ 54 ff. UrhG unterliegen, s.
https://www.vy-anwalt.de/news/online-marktplatz-schuldet-keine-urheberrechtsabgabe-bgh-rakuten.de
Im Revisionsverfahren zum Az. I ZR 1/24 betreffend Geräte des Typs PC hat der Bundesgerichtshof BGH mit Beschluss vom 26.09.2024 dem Europäischen Gerichtshof EuGH die seit langem heftig umstrittene Frage vorgelegt, ob für Geräte eines bestimmten Typs, die an Behörden, Unternehmen und Selbständige zur eigenen Nutzung geliefert werden – sog. Business-Geräte – Geräteabgaben nach §§ 54 ff. UrhG geschuldet sind! Die wichtige Frage wird nun (voraussichtlich in einigen Jahren) also vom EuGH entschieden werden.
Konkret hat der BGH folgende Frage an den EUGH vorgelegt:
Ist es mit Art 5 Abs. 2 Buchst. b der Richtlinie 2001/29/EG vereinbar, dass eine nationale Regelung Hersteller, Importeure oder Händler, die Speichermedien an gewerbliche Endabnehmer (juristische Personen oder natürliche Personen, die - für den Hersteller, Importeur oder Händler erkennbar - als Endnutzer für kommerzielle Zwecke bestellen) verkaufen, zur Zahlung einer Vergütung zur Finanzierung des gerechten Ausgleichs für die Ausnahme vom Vervielfältigungsrecht in Bezug auf Vervielfältigungen zum privaten Gebrauch verpflichtet, sofern sie nach den Bestimmungen des nationalen Rechts nicht nachweisen, dass mit Hilfe dieser Geräte allenfalls in geringem Umfang tatsächlich Vervielfältigungen eines Werkes durch eine natürliche Person zum privaten Gebrauch auf beliebigen Trägern angefertigt worden sind oder nach dem normalen Gang der Dinge angefertigt werden?
Der BGH (Vorsitzender Richter Prof. Dr. Koch) hat dazu in der mündlichen Verhandlung, die wir für den ZItCo e.V. beobachtet haben, ausgeführt, dass nach der Entscheidung des österreichischen Obersten Gerichtshofs OGH, wonach in Österreich für Business-Geräte dem Grunde nach keine Vergütung geschuldet ist (Urt. v. 21.02.2017, Az. 4 Ob 62/16w – Austro Mechana ./. Amazon, GRUR Int 2017, 455), nicht (mehr) von einer klaren Rechtslage (sog. acte clair oder acte éclairé) ausgegangen werden kann. Bereits das Bundesverfassungsgericht hatte daher einen Widerspruch zwischen der divergierenden Rechtsprechung des BGH (Urt. v. 16.03.2017, Az. I ZR 36/15 – Gesamtvertrag PC) und des öst. OGH festgestellt, vgl. BVerfG, Beschl. v. 24.05.2022, Az. 1 BvR 2342/17, Rz. 15.
Mehr: https://www.vy-anwalt.de/news/bgh-legt-frage-der-abgabepflicht-fuer-business-pc-dem-eugh-vor
Mit einer Entscheidung des EuGH ist erfahrungsgemäß in ein bis zwei Jahren zu rechnen. Auf Basis dieser Entscheidung des EuGH wird der BGH im Verfahren I ZR 1/24 einige Monate später seinerseits eine Entscheidung treffen, die auch in einer erneuten Zurückverweisung an das OLG München bestehen kann. Die Rechtsunsicherheit in dieser Frage wird also erst in einigen Jahren ausgeräumt sein.
Angesichts dieser weiterhin bestehenden Rechtsunsicherheit sollten Unternehmen, die Gesamtverträgen mit der ZPÜ beigetreten sind, überlegen, ob sie diese Gesamtverträge mit Wirkung für die Zukunft gekündigt werden sollten!
Nachdem der Bundesgerichtshof in der mündlichen Verhandlung am 26.09.2024 im Revisionsverfahren Az. I ZR 1/24 betreffend die Geräteabgaben nach § 54 ff. UrhG für Geräte des Typs PC bekannt gegeben hat, dass er die Frage der Vergütungspflicht für Business-Geräte nach Art. 267 Abs. 3 AEUV dem EuGH vorlegen wird, ist das OLG München dazu übergegangen, laufende Verfahren betreffend die Urheberrechtsabgabe für Mobiltelefone und PC "im Hinblick auf das Verfahren BGH I ZR 1/24 analog § 148 ZPO auszusetzen".
In seiner Verfügung vom 03.12.2024, Az. 38 Sch 7/23 WG e (PC-Verfahren) weist das OLG München ausdrücklich darauf hin, dass es sich "derzeit mit Blick auf die Vorlagefrage an einer eigenen Sachentscheidung gehindert" sieht und die "Vorlage weiterer gleichgelagerter Verfahren zur Vorabentscheidung beim EUGH aber auch nicht als zielführend" ansieht.
Mehr: https://www.vy-anwalt.de/news/olg-muenchen-setzt-urheberrechtsabgabe-verfahren-aus
Wir gehen davon aus, dass auch die Schiedsstelle nach dem VGG keine eigenen Entscheidungen zu den Urheberrechtsabgabe mehr treffen wird, bis der EuGH die Vorlagefrage des BGH in der Sache I ZR 1/24 beantwortet und der BGH dann im Verfahren I ZR 1/24 unter Berücksichtigung der Vorgaben des EuGH zu Business-Geräten geurteilt hat.
Das BMJ hat (endlich!) ein umfassendes Forschungsvorhaben zum Thema "Angemessene Vergütung insbesondere im Bereich Streaming und Plattform-Ökonomie / "Reform des Vergütungssystems für gesetzlich erlaubte Nutzungen im Urheberrecht" beauftragt. Das Forschungsvorhaben soll u.a. das Vergütungssystem für gesetzlich erlaubte Nutzungen im Urheberrecht (Urheberrechtsabgaben) einschließlich seiner unionsrechtlichen Grundlagen umfassend untersuchen. Dabei sollen auch Vergütungssysteme in anderen Mitgliedstaaten der EU untersucht und der Reformbedarf sowie Alternativen dargelegt werden.
Gegenstand der Untersuchung wird auch die äußerst streitige Frage sein, ob die aktuellen Forderungen (Tarife) der ZPÜ heute noch angemessen sind, trotzdem durch die zunehmende Nutzung von Streaming- und Cloud-Diensten die Anfertigung von Privatkopien in den letzen Jahren deutlich zurückgegangen ist, wie u.a. eine aktuelle Studie aus Finnland zeigt (Zusammenfassung hier: https://valtioneuvosto.fi/en/-//1410845/survey-private-copying-continues-to-decline).
Erste Ergebnisse der Untersuchung liegen möglicherweise schon im 1. Halbjahr 2025 vor! In der Folge könnte es zu einer erneuten Reform der §§ 54 ff. UrhG durch den Gesetzgeber kommen. Nicht ausgeschlossen ist auch, dass dann die aktuellen Gesamtverträge für PC gekündigt und/oder neu verhandelt werden. Da die ZPÜ damit gescheitert ist, eine Cloud-Vergütung durchzusetzen, wird sie möglicherweise versuchen, zumindest für Server eine Vergütung zu erhalten (dazu müsste sie die PC-Gesamtverträge kündigen); zudem wir sie den erwarteten Ergebnissen der Studie vorgreifen wollen.
Gemischte Nachrichten erreichen uns derweil aus Österreich: Die österreichische Verwertungsgesellschaft Austro Mechana hat mit verschiedenen Gremien der Wirtschaftskammer Österreich WKÖ einen neuen Gesamtvertrag verhandelt und abgeschlossen, der am 1. Januar 2025 in Kraft tritt und neue Tarife für nach § 42b öst. UrhG in Österreich abgabepflichtige Speichermedien vorsieht (sog. Vertragstarife), s. hier.
Vorweg die gute Nachricht: Für Spielekonsolen mit integriertem Speicher, digitale Spielzeuge mit integriertem Speicher und Virtual Reality-Brillen und Datenbrillen mit integriertem Speicher verlangt die Austro Mechana keine Speichermedienvergütung mehr.
Die Tarife für Geräte wie z.B. PC, Mobiltelefone, Tablets und Smartwatches bzw. für die darin verbauten Speichermedien steigen allerdings ab dem 1. Januar 2025 deutlich an:
Welche neuen (empirischen) Erkenntnisse diesen teilweise drastischen Tarif-Erhöhungen zugrunde liegen, ist nicht bekannt. Zu erwarten waren eher eine Absenkungen der Vergütungssätze, da davon ausgehen ist, dass durch die zunehmende Durchsetzung von Cloud-Diensten und legalen Streaming-Diensten wie z.B. Netflix, Amazon Prime, Apple TV, Spotify die relevante Anzahl von Privatkopien auf Speichermedien in den letzten Jahren auch in Österreich erheblich zurückgegangen ist.
Wegen der deutlichen Steigerungen der Tarife (teilweise um 120%) sollten Unternehmen genau prüfen, ob diese Tarifanpassungen ihre Produkte betreffen, um entsprechend kalkulieren und planen zu können; Rückstellungen sind ggf. entsprechend anzupassen!
Für deutsche Unternehmen, die Geräte und Speichermedien nach Österreich exportieren (und damit in Österreich einführen) stellt sich damit die Frage, ob diese Geräte und Speichermedien an die österreichische Verwertungsgesellschaft Austro Mechana nach § 90a Abs. 1 öst. UrhG gemeldet werden müssen. Denn nach § 90a Abs. 2 des öst. Urheberrechtsgesetzes kann die Austro Mechana bei verspäteten Einfuhrmeldungen von Importen von einen Strafzuschlag in Höhe des doppelten Vergütungssatzes verlangen! Betroffene Unternehmen sollten daher genau überlegen, ob aufgrund dieses neuen autonomen Tarifs eine Meldepflicht besteht und welche Auskunft ggf. zu erteilen ist, um das Risiko eines Strafzuschlags / doppelten Vergütungssatzes zu vermeiden!
Gemeinsam mit erfahrenen österreichischen Rechtsanwalts-Kollegen und Kolleginnen beraten und Vertreten wir mehrere deutsche Unternehmen, die von der öst. Austro Mechna auf Auskunft und Zahlung der Urheberrechtsabgabe in Österreich (sog. Speichermedienvergütung, § 42b öst. UrhG) für Lieferungen nach Österreich in Anspruch genommen wurden! Wir sind daher im ständigen Austausch mit unsere Kollegen und Kolleginnen in Österreich und evaluieren alle Möglichkeiten, die sich ergebenden Forderungen der Austro Mechana zu reduzieren.
Mehr: https://www.vy-anwalt.de/news/starke-erhoehung-der-speichermedienverguetung-in-oesterreich
Dr. jur. Urs Verweyen, LL.M. (NYU) | Rechtsanwalt, PartnerFür die betroffenen IT-Unternehmen war 2024 ein gutes Jahr, was die Urheberrechtsabgaben für Geräte wie PCs/Notebooks, Tablets und Mobiltelefone betrifft! Endlich hat der BGH dem Europäischen Gerichtshof die nicht erst seit der "Padawan"-Entscheidung des EuGH vom 21. Oktober 2010 heftig umstrittene Frage zur Klärung vorgelegt, ob auch für sogenannte Business-Geräte, die in Unternehmen und Industriebetrieben oder in Behörden, Universitäten und Schulen für Büroarbeiten, Produktion und Forschung eingesetzt werden, eine Abgabe für Privatkopien (!) geschuldet ist! Zudem wurden einige Forderungen der ZPÜ, wie beispielsweise nach einer Urheberrechtsabgabe auf Online-Marktplätze und für Cloud-Dienstleistungen, eine klare Absage erteilt. Es bleibt jetzt zu hoffen, dass die vom BMJ beauftragte empirische Untersuchung bestätigt, was allgemein schon bekannt ist: Dass Privatkopien wegen der allgegenwärtigen Verfügbarkeit aller Inhalte durch Streaming auch im privaten Umfeld so gut wie nicht mehr angefertigt werden.