Keine öffentliche Wiedergabe und keine Urheberrechtsverletzung liegt vor, wenn zur Aufrufung eineer Fotogtrafie eine kryptische Internetadresse (URL) eingegeben werden muss, die 70 Zeichen lang ist; daher war im konkreten Fall auch keine Vertragsstrafe geschuldet.
Mit Urteil vom 27.05.2021, Az. I ZR 119/20 – Lautsprecherfoto hat der Bundesgerichtshof BGH die vorherigen Entscheidungen des Landgerichts Frankfurt und des Oberlandesgerichts Frankfurt (OLG Frankfurt a.M., Urt. v. 16.06.2020, Az. 11 U 46/19) bestätigt, wonach eine Fotografie nicht schon dann entgegen § 19a UrhG und ein entsprechendes Unterlassungsversprechen (erneut) öffentlich zugänglich gemacht wird, wenn sie lediglich unter Eingabe einer aus ca. 70 kryptischen Zeichen bestehenden URL (Internetadresse) aufgerufen werden kann. Anders hatte zuvor z.B. das Kammergericht Berlin (Urteil v. 29.07.2019, Az. 24 U 143/18) entschieden.
Der BGH führt in seinem Urteil vom 27. Mai 2021, Az. I ZR 119/20 – Lautsprecherfoto, im Leitsatz aus:
"Das für die Prüfung der öffentlichen Zugänglichmachung relevante Kriterium "recht viele Personen" ist nicht erfüllt, wenn ein Produktfoto, dass zunächst von einem Verkäufer urheberrechtsverletzend auf einer Internethandelsplattform im Rahmen seiner Verkaufsanzeige öffentlich zugänglich gemacht worden war, nach Abgabe einer Unterlassungserklärung des Verkäufers nur noch durch die Eingabe einer rund 70 Zeichen umfassenden URL-Adresse im Internet zugänglich war und nach der Lebenserfahrung davon auszugehen ist, dass die URL-Adresse nur von Personen eingegeben wird, die diese Adresse zuvor - als das Foto vor Abgabe der Unterlassungserklärung noch im Rahmen der Anzeige des Verkäufers frei zugänglich gewesen war - abgespeichert oder sie sonst in irgendeiner Weise kopiert oder notiert haben, oder denen die Adresse von solchen Personen mitgeteilt worden war."
Sowie a.a.O., Rz. 14 ff.:
"3. Das Berufungsgericht hat angenommen, dass nach den Umständen des Streitfalls jedenfalls das Merkmal der Öffentlichkeit im Sinne der vorstehend wie- dergegebenen Grundsätze nicht erfüllt ist. Gegen diese Beurteilung wendet sich die Revision ohne Erfolg.
a) Bei der Prüfung, ob die mit dem Kriterium "recht viele Personen" umschriebene Mindestschwelle überschritten ist, mit der eine allzu kleine oder gar unbedeutende Mehrzahl betroffener Personen aus dem unionsrechtlich determinierten Begriff der Öffentlichkeit ausgeschlossen werden soll, handelt es sich um eine den nationalen Gerichten überantwortete Tatsachenbeurteilung (vgl. EuGH GRUR 2012, 593 Rn. 93 - SCF; GRUR 2012, 597 Rn. 39 - Phonographic Performance (Ireland)). Die vorzunehmende tatgerichtliche Würdigung ist nach den allgemeinen Grundsätzen vom Revisionsgericht überprüfbar. Danach ist maßgeblich, ob das Tatgericht einen zutreffenden rechtlichen Maßstab zugrunde gelegt, nicht gegen Erfahrungssätze oder die Denkgesetze verstoßen und keine wesentlichen Umstände unberücksichtigt gelassen hat (vgl. BGH, Urteil vom 7. Oktober 2020 - I ZR 137/19, GRUR 2021, 473 Rn. 21 = WRP 2021, 196 - Papierspender, mwN).
b) Das Berufungsgericht hat angenommen, eine Wiedergabe gegenüber "recht vielen Personen" liege auf der Grundlage der vom Kläger vorgetragenen Umstände nicht vor. Das streitgegenständliche Foto sei nur durch die Eingabe der rund 70 Zeichen umfassenden URL-Adresse im Internet zugänglich gewesen. Damit beschränke sich der relevante Personenkreis faktisch auf diejenigen Personen, die diese Adresse zuvor - als das Foto vor Abgabe der Unterlassungserklärung noch im Rahmen der eBay-Anzeige des Beklagten frei zugänglich gewesen sei - abgespeichert oder sie sonst in irgendeiner Weise kopiert oder notiert hätten, oder denen die Adresse von solchen Personen mitgeteilt worden sei. Es widerspreche jeder Lebenserfahrung, dass außer dem Kläger noch "recht viele" andere Personen die URL-Adresse gekannt und Zugang zu dem Foto gehabt haben könnten. Diese tatgerichtliche Beurteilung hält der rechtlichen Nachprüfung stand."
Dr. jur. Urs Verweyen, LL.M. (NYU) | Rechtsanwalt, PartnerDer Fall, der von Bundesgerichtshof und den Frankfurter Gerichten zu beurteilen war, zeigt einmal mehr: Gerade im Urheberrecht und im Markenrecht sollte man eine Abmahnung sehr genau von einem erfahrene Spezialisten prüfen lassen! Oft sind scheinbar berechtigte Forderungen letztlich doch unbegründet. Ein unter Druck oder in Zeitnot abgegebene Unterlassungsverpflichtungserklärung, die ja meist mit einer sehr empfindlichen Vertragsstrafe verbunden ist, erweist sich dann als gefährlicher Fehler! Wenn Sie betroffen sind, handeln Sie mit Bedacht und ziehen Sie einen in markenrechtlichen und urheberrechtlichen Streitigkeiten erfahrenen Spezialisten zu rate!