Mit Urteil vom 18.06.2015, Az. I ZR 14/14 – Hintergrundmusik in Zahnarztpraxen hat der BGH eine Klage der GEMA über (noch) 51,93 EUR (ja, Einundfünfzig Euro und dreiundneunzig Cent) für das Abspielen von Hintergrundmusik im Empfangsbereich einer Zahnarztpraxis abgewiesen.
Begründung: Die für eine Vergütungspflicht notwendige "öffentliche Wiedergabe [gem. § 15 Abs. 3 UrhG] ... setzt nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union zwingend eine unbestimmte Zahl potentieller Adressaten und recht viele Personen als Adressaten voraus. [Es] ist davon auszugehen, dass diese Voraussetzung im Allgemeinen nicht erfüllt ist, wenn ein Zahnarzt in seiner Praxis für seine Patienten Hörfunksendungen als Hintergrundmusik wiedergibt."
Dr. jur. Urs Verweyen, LL.M. (NYU) | Rechtsanwalt, PartnerDie Entscheidung ist übertragbar auf andere ähnliche Einrichtungen mit einem (kleinen) Wartezimmer/Wartebereich, also z.B. Arztpraxen und sonstige Praxen, Anwaltskanzleien, Pizza-Lieferdienste mit Kunden-Abholbereich, etc., die nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs künftige keine GEMA-Gebühren mehr bezahlen müssen.
Hintergrund: Die GEMA hatte versucht, weitere 51,93 EUR vor dem BGH von einer Zanarztpraxis einzuklagen; dazu aus der Pressemeldung des BGH Nr. 093/2015 vom 12.06.2015:
"Die Klägerin ist die Gesellschaft für musikalische Aufführungs- und mechanische Vervielfältigungsrechte (GEMA). ... Der Beklagte ist Zahnarzt und betreibt eine zahnärztliche Praxis. In deren Wartebereich werden Hörfunksendungen als Hintergrundmusik übertragen.
Die Parteien haben am 6. August 2003 einen urheberrechtlichen Lizenzvertrag geschlossen, mit dem die Klägerin dem Beklagten das Recht zur Nutzung des Repertoires der GEMA, der VG-Wort und der GVL zur Wiedergabe von Hörfunksendungen in seiner Praxis gegen Zahlung einer Vergütung eingeräumt hat.
Der Beklagte hat der Klägerin zum 17. Dezember 2012 die fristlose Kündigung des Lizenzvertrags erklärt. Diese hat er damit begründet, dass die Wiedergabe von Hintergrundmusik in Zahnarztpraxen nach dem Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Union vom 15. März 2012 (C-135/10, GRUR 2012, 593 = WRP 2012, 689 – SCF/Del Corso) keine öffentliche Wiedergabe darstelle.
Die Klägerin nimmt den Beklagten mit ihrer Klage auf Zahlung der für den Zeitraum vom 1. Juni 2012 bis zum 31. Mai 2013 geschuldeten Vergütung von 113,57 € in Anspruch.
Das Amtsgericht hat den Beklagten zur Zahlung von 61,64 € nebst Zinsen verurteilt und die Klage im Übrigen abgewiesen. Die Berufung der Klägerin ist ohne Erfolg geblieben. Das Landgericht hat angenommen, die Klägerin könne von dem Beklagten lediglich die Zahlung einer anteiligen Vergütung für den Zeitraum vom 1. Juni bis zum 16. Dezember 2012 in Höhe von 61,64 € beanspruchen. Der Lizenzvertrag sei durch die fristlose Kündigung des Beklagten mit Wirkung zum 17. Dezember 2012 beendet worden. Die Parteien hätten den Lizenzvertrag in der Annahme geschlossen, dass es sich bei der Wiedergabe von Hörfunksendungen im Wartebereich einer Zahnarztpraxis um eine -vergütungspflichtige – öffentliche Wiedergabe im Sinne des § 15 Abs. 3 UrhG* handele. Diese Geschäftsgrundlage des Lizenzvertrages sei durch das Urteil des Gerichtshofs vom 15. März 2012 entfallen. Dem Urteil sei zu entnehmen, dass eine öffentliche Wiedergabe im Sinne von Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 29/2001/EG zur Harmonisierung bestimmter Aspekte des Urheberrechts und der verwandten Schutzrechte in der Informationsgesellschaft** und damit auch im Sinne von § 15 Abs. 3 UrhG voraussetze, dass die Wiedergabe Erwerbszwecken diene. Ferner ergebe sich aus dem Urteil, dass ein solcher Erwerbszweck bei einer Wiedergabe von Hörfunksendungen im Wartebereich einer Zahnarztpraxis zu verneinen sei.
Mit ihrer vom Landgericht zugelassenen Revision, deren Zurückweisung der Beklagte beantragt, erstrebt die Klägerin die Verurteilung des Beklagten zur Zahlung weiterer 51,93 €."