Erneut hat der Bundesgerichtshof (BGH) klargestellt: Anbieter von Cloud-Diensten wie Dropbox, Google oder die vielen kleineren Unternehmen, die in Deutschland sichere Cloud-Lösungen anbieten, nicht zur Zahlung einer Urheberrechtsabgabe verpflichtet.
Die ZPÜ, die als gemeinsame Inkassogesellschaft der deutschen Verwertungsgesellschaften wie z.B. der GEMA, der VG Wort und der VG Bild-Kunst fungiert, hatte erneut versucht, eine Abgabe nach §§ 54 ff. UrhG für die Nutzung von Clouds für Privatkopien i.S.v. § 53Abs. 1, Abs. 2, §§ 60a bis 60f UrhG durchzusetzen. Dazu beantragte sie nach § 93 VGG bei der Schiedsstelle nach dem Verwertungsgesellschaftengesetz (VGG) die Durchführung einer empirischen Studie, um anschließend nach § 40 VGG einen Tarif für Cloud-Dienstleistungen festlegen zu können. Die Schiedsstelle nach dem VGG hat diesen Antrag mit Beschluss vom 27.03.2024 (Az. Sch-Urh 11/22), abgelehnt; dies hat das Bayerische Oberste Landesgericht mit Beschluss vom 12.08.2024 (Az. 101 VA 64/24) bestätigt.
Ihre Begründung: Cloud-Anbieter sind keine Hersteller, Importeure oder Händler von Geräten oder Speichermedien, für die eine Abgabe nach §§ 54 ff. Urheberrechtsgesetz (UrhG) vorgesehen ist. Eine analoge Anwendung dieser Vorschriften auf Cloud-Dienste sei aufgrund fehlender gesetzlicher Regelungslücken ebenfalls nicht möglich.
Mit Beschluss vom 17. Juli 2025 (Az. I ZB 82/24) hat der BGH die gegen diese Entscheidungen eingelegte Rechtsbeschwerde der ZPÜ nunmehr zurückgewiesen.
Diese Entscheidung ist keine Überraschung, sondern bestätigt die bereits gefestigte Rechtsprechung des BGH zur Frage der Cloud-Vergütung. Bereits in einem Verfahren, das von unserer Kanzlei für unsere Mandantin, die Secure Cloud GmbH, geführt wurde, hatte der BGH am 10. Oktober 2024 (Az. I ZR 48/24) eine von uns erwirkte Entscheidung des OLG München bestätigt, wonach für Anbieter von Cloud-Diensten keine Vergütungspflicht nach §§ 54 ff. UrhG besteht.
In seiner Entscheidungsbegründung äußert der BGH, wie schon zuvor das Oberste Bay. Landesgericht, grundlegende Zweifel am aktuellen System der Geräte-und Speichermedienabgaben nach den §§ 54 ff. UrhG (Hervorhebung hier):
Rz. 16: ... reduziere sich der Umfang der vergütungspflichtigen Nutzung von Speichermedien und Geräten, soweit infolge des technischen
Fortschritts und des erweiterten Angebots von Streaming-Diensten an die Stelle der Vervielfältigungen das Streaming von Inhalten trete. Zur Klärung der Frage, ob die trotz Streamings verbleibende Nutzung von Speichermedien und Geräten zu Vervielfältigungszwecken die von den Verwertungsgesellschaften aktuell geforderten Vergütungen weiterhin rechtfertige, sei jedoch nicht die von der Antragstellerin geforderte, allein auf die Cloudnutzung bezogene, sondern eine umfassende empirische Untersuchung des Nutzungsverhaltens erforderlich, die die Antragstellerin ablehne. Diese Beurteilung hält der rechtlichen Nachprüfung stand.
Rz. 42: Wenn vergütungspflichtige Speichermedien durch Speicherplatz auf Cloud-Servern ersetzt werden, für die keine Vergütung geltend gemacht werden kann, kann das Aufkommen aus der Speichermedienvergütung sinken und den Rechtsinhabern nur noch
das Aufkommen aus der Gerätevergütung verbleiben, welche dann je nach Endgeräte- und Speichermedien-Typ gemäß § 54a Abs. 4 UrhG begrenzt sein könnte (vgl. Müller ZUM 2014, 11, 13 f. und GRUR-Prax 2022, 287; Bisges, GRUR 2013, 146, 148 f.; Leistner, CR 2018, 436 Rn. 26; Wiebe in Spindler/Schuster aaO § 54 UrhG Rn. 13).
Rz. 43: Ob die Begrenzung des § 54a Abs. 4 UrhG in Bezug auf die für Cloud-Dienste genutzten Geräte- und Speichermedien-Typen eingreift und gegebenenfalls den gerechten Ausgleich gefährdet, der den Rechtsinhabern zusteht, und ob dies wiederum gerade auf die zunehmende Nutzung dieser Geräte für Cloud-Dienste zurückzuführen ist, lässt sich indes nur beantworten, wenn die maßgebliche Nutzung dieser Endgeräte- und Speichermedien-Typen für nach §§ 53, 60a bis 60f UrhG erlaubte Vervielfältigungen insgesamt ermittelt wird. Darauf zielt die von der Schiedsstelle vorgeschlagene umfassende empirische Untersuchung des Nutzungsverhaltens, die die Antragstellerin indes nicht nur nicht beantragt hat, sondern die sie ausdrücklich ablehnt. ...
Zudem stärkt der BGH der Schiedsstelle nach dem VGG den Rücken:
Rz. 14: Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde hat die Schiedsstelle als für die Durchführung des Verfahrens nach § 93 VGG zuständige Stelle das Vorliegen dessen gesetzlicher Voraussetzungen einschließlich der Frage, ob ein tauglicher Untersuchungsgegenstand im Sinne von §§ 93, 40 Abs. 1 VGG, § 54a Abs. 1 UrhG vorliegt, zu prüfen. Als Verwaltungsorgan (vgl. nur BayObLG, MMR 2022, 293 [juris Rn. 35]; Raue in Dreier/Schulze aaO § 124 VGG Rn. 1) ist sie gemäß Art. 20 Abs. 3 GG an Gesetz und Recht gebunden und muss die Vorschriften, die ihr Handeln bestimmen, auslegen ...
Der Verwertungsgesellschaft steht im Verfahren nach § 93 VGG deshalb keine Einschätzungsprärogative hinsichtlich der Frage zu, ob es sich bei einem Untersuchungsgegenstand um ein Gerät oder Speichermedium im Sinne der §§ 54, 54a UrhG handelt. Es besteht kein sachlicher Grund, diese Frage der Prüfung durch die Schiedsstelle in diesem Verfahren zu entziehen und in spätere Auseinandersetzungen mit Herstellern, Händlern oder Importeuren über die Durchsetzung des Tarifs zu verlagern. Vielmehr würde dies die Durchsetzung der Vergütungsansprüche nach § 54 UrhG verzögern.
…
Dies ändert jedoch nichts daran, dass die Schiedsstelle das Verfahren nach § 93 VGG mit dem Ziel der Schaffung einer Grundlage für die Tarifaufstellung betreiben muss, denn es dient der Beschleunigung der Tarifaufstellung in Abkehr von der Pflicht zur vorherigen Durchführung von Gesamtvertragsverhandlungen nach § 13a Abs. 1 Satz 2 und 3 des Urheberrechtswahrnehmungsgesetzes in der bis zum 31. Mai 2016 geltenden Fassung (UrhWahrnG). Deshalb unterbreitet die Schiedsstelle in dem selbstständigen Verfahren zur Einholung einer empirischen Untersuchung auch keinen Einigungsvorschlag (§ 114 Abs. 2 Satz 2 VGG). Dem Zweck der Beschleunigung wäre nicht gedient, wenn die Antragstellerin eine Untersuchung erwirken könnte, deren Ergebnisse im Fall des Scheiterns von Vertragsverhandlungen nicht zur Aufstellung eines Tarifs geeignet beziehungsweise hierfür ausreichend wären. Der Schiedsstelle bleibt dabei unbenommen, im Einzelfall und unter Einbeziehung der betroffenen Verbände (§§ 112, 116 VGG) zu beurteilen, ob eine Klärung von Vorfragen bei der Durchführung der Untersuchung, auch zur Förderung einer vertraglichen Einigung, zweckmäßig sein kann. Eine Klärung von Vorfragen im Rahmen einer im Grundsatz umfassenden Untersuchung nach § 93 VGG war aber nicht Gegenstand des Hilfsantrags.
Die Zentralstelle für private Überspielungsrechte (ZPÜ) hat damit erneut vor dem höchsten deutschen Zivilgericht eine Niederlage erlitten, ihre Forderung einer Urheberrechtsabgabe für Cloud-Dienstleistungen ist erneut höchstrichterlich abgelehnt worden.
Zwar hat die ZPÜ gegen frühere BGH-Entscheidungen Verfassungsbeschwerden erhoben, doch die Erfolgsaussichten hierfür sind sehr gering. Zudem sind die nun vorliegenden Gerichtsentscheidungen ausführlich und nachvollziehbar begründet und entsprechen in ihren tragenden Erwägungen Entscheidungen des Bundesgerichtshofs zu Vergütungspflicht von Online-Marktplätzen.
Für Anbieter von Cloud-Diensten, wie auch für deren Nutzer, schafft das aktuelle Urteil des BGH jedoch eine wichtige rechtliche Klarheit und Planungssicherheit. Es bestätigt, dass das deutsche Urheberrecht in seiner jetzigen Form keine Grundlage für eine Abgabe auf Cloud-Dienstleistungen bietet.
Dr. jur. Urs Verweyen, LL.M. (NYU) | Rechtsanwalt, PartnerMit dieser klaren Haltung der Gerichte verschiebt sich der Druck nun auf den Gesetzgeber. Es ist zu erwarten, dass die ZPÜ und die Verwertungsgesellschaften verstärkt versuchen werden, eine Gesetzesänderung im Urheberrechtsgesetz zu erreichen, um eine Abgabe für Cloud-Dienste doch noch durchzusetzen.