Mit Urteil vom 2. November 2021, Az. 15 O 551/19 (nicht rechtskräftig) hat das Landgericht Berlin, soweit ersichtlich: als erste Gericht überhaupt, die neue "Pastiche"-Schranke des § 51a UrhG (in der seit Sommer 2021 gültigen Fassung) angewendet, und befunden, dass die Übernahme auch einer ganzen, als Werk urheberrechtlich geschützten Computergrafik in ein Gemälde als Pastiche erlaubnis- und vergütungsfrei zulässig sein kann. Im Streitfall hatte der Berliner Maler Martin Eder die Computergrafik "Scorched Earth" des Künstler Daniel Conway in sein collagenhaftes Gemälde "The Unknowable" übernommen.
Das LG Berlin hat dabei zugunsten des Klägers unterstellt, dass die Computergrafik urheberrechtlichen Schutz genießt:
"Es kann für die Entscheidung offengelassen werden, ob der Kläger der Urheber des Computerbildes "Scorched Earth" …ist, ob dieses Bild schutzfähig im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 4, Abs. 2 UrhG ist und ob der Kläger die urheberrechtlichen Verwertungsrechte daran (noch) hat. Es kann ferner dahinstehen, ob der Beklagte sein Ölgemälde "The Unknowable" … in Deutschland selbst oder durch Dritte vervielfältigt, verbreitet, öffentlich zur Schau gestellt oder öffentlich zugänglich gemacht hat oder ob dafür eine Erstbegehungsgefahr besteht. Dies alles kann zu Gunsten des Klägers hier unterstellt werden …"
Zudem konnte das LG Berlin in Eders Gemälde mangels "hinreichenden Abstands" keine freie Bearbeitung i.S.v. § 23 Abs. 1 Satz 2 UrhG erkennen:
"Nach § 23 Abs. 1 UrhG in der hier maßgeblichen Fassung vom 7.6.2021 dürfen Bearbeitungen und andere Umgestaltungen eines Werkes nur mit Zustimmung des Urhebers veröffentlicht oder verwertet werden. Wahrt das neu geschaffene Werk einen hinreichenden Abstand zum benutzten Werk, so liegt keine Bearbeitung oder Umgestaltung vor mit der Folge, dass die Verwendung des vorbestehenden Werkes erlaubnisfrei möglich ist. Maßgeblich für die Beurteilung des hinreichenden Abstands ist dabei nach der Gesetzesbegründung, inwieweit auch nach der Bearbeitung oder Umgestaltung noch ein Ausdruck der eigenen geistigen Schöpfung des Urhebers des vorbestehenden Werkes erkennbar ist. Es kann, wie nach bislang geltender Rechtslage unter § 24 UrhG a.F., auch dann von einem hinreichenden Abstand ausgegangen werden, wenn die aus dem benutzten Werk entlehnten eigenpersönlichen Züge dem Gesamteindruck nach gegenüber der Eigenart des neuen Werkes so stark verblassen, dass das vorbestehende Werk nicht mehr oder nur noch rudimentär zu erkennen ist (sogenannter „äußerer Abstand", vergleiche BGH – I ZR 264/91 -, Urteil vom 11.3.1993, – Asterix-Persiflagen). In der Regel ist ein Verblassen anzunehmen, wenn die dem geschützten älteren Werk entlehnten eigenpersönlichen Züge im neuen Werk zurücktreten, so dass die Benutzung des älteren Werkes durch das neuer nur noch als Anregung zu einem neuen, selbständigen Werkschaffen erscheint (BGH – I ZR 9/15 -, Urteil vom 28.7.2016 – auf fett getrimmt). Demgegenüber greifen andere Bearbeitungen und Umgestaltungen, für die wie etwa bei der Parodie vor Aufhebung des § 24 UrhG a.F. noch ein „innerer Abstand" (vergleiche hierzu BGH – I ZR 263/91 -, Urteil vom 11. März 1993, – Alcolix) zum vorbestehenden Werk angenommen wurde, in der Regel in den Schutzbereich des Urheberrechts nach § 23 UrhG n.F. ein. Diese Fälle sind weitestgehend durch den neu geschaffenen § 51 a UrhG erfasst, der Nutzungen für die Zwecke der Karikatur, der Parodie und des Pastiches gesetzlich erlaubt (Gesetzesbegründung, Bundestags-Drucksache 19/27426, S. 78). Schließlich besagt der Referentenentwurf, dass die erkennbare Übernahme einer Melodie in der Regel eine Bearbeitung im Sinne des § 23 Abs. 1 UrhG n.F. ist, deren Verwertung der Zustimmung des Urhebers bedarf, weil der erforderliche Abstand nicht gewahrt werde, wenn eine bestehende Melodie in erkennbarer Weise einem neuen Werk zugrunde gelegt wird (vgl. Anlage B 61, S. 83).
Das Bild des Beklagten wahrt keinen im Sinne des § 23 Abs. 1 UrhG hinreichenden äußeren Abstand zum Bild 1. Der Ausdruck der eigenen geistigen Schöpfung des Urhebers des Bildes 1 bleibt darin erkennbar. Bild 1 wird als ein Teil des auch aus bestehenden Motiven komponierten Bildes 2 erkennbar wiedergegeben. Es dient als ein schon existierendes Werk aus einem Genre, dass der Beklagte als kitschig und hässlich bezeichnet, als weitgehend werkgetreu übertragener Hintergrund und wesentlicher Bestandteil des neuen Bildes. Der Beklagte bezweckte gerade, dass der Betrachter in seinem Bild bekannte, schon bestehende Motive wiederfindet und in einem neu geschaffenen bildlichen Zusammenhang wahrnimmt. Das Ausmaß der Ähnlichkeit und der – zwischen den Parteien unstreitigen – Wiedererkennbarkeit ist erheblich. Das Bild 1 geht nicht etwa als Hintergrund in einem als bildliche Einheit wahrgenommenen Werk auf und tritt darin zurück. Vielmehr ist Bild 2 eine collageartige Zusammensetzung verschiedener Bildelemente, die nach Inhalt, Maßstäben und Darstellung so in der Natur nicht zu sehen wären. Der Vogel ist überdimensional groß. Im Bereich der Beine der Frau ist ein anderer, grüner Hintergrund zu sehen, der links durch eine scharfe Schnittkante ohne bildlichen Zusammenhang den Vordergrund (Holzbalken mit Person) wie aufgeklebt wirken lässt. Auch die unterschiedliche Detaillierung durch den Beklagten, der Elemente wie den Menschen sehr fein detailliert, den Hintergrund dagegen eher verschwommener gemalt hat, unterstreicht die collageartige Zusammenstellung verschiedener Bildelemente zu einem Gesamtbild. Das Bild 1 bleibt daher im Bild 2 deutlich erkennbar. Es kommt dabei hier nicht darauf an, ob der Betrachter dem neuen Bild durch die Hinzufügungen eine andere Aussage als dem alten Bild entnimmt. Dies führte nicht dazu, dass das Bild 1 verblasst, sondern das Bild 2 beinhaltete trotz einer neuen Bildaussage eine Bearbeitung des benutzten Bildes 1, dessen wiedererkennbare Übernahme gerade beabsichtigt war. Ein Verblassen ist daher nicht festzustellen."
Letztlich war dies nicht entscheidend, weil das LG Berlin in dem Gemälde Eders eine Pastiche i.S.v. § 51a UrhG n.F. erkannte, die erlaubnis- und vergütungsfrei zulässig ist:
"Im vorliegenden Fall greift die Ausnahme des § 51 a UrhG zu Gunsten des Beklagten ein.
Nach § 51 a UrhG ist die Vervielfältigung, die Verbreitung und die öffentliche Wiedergabe eines veröffentlichten Werkes zum Zwecke der Karikatur, der Parodie und des Pastiches zulässig; diese Befugnis umfasst die Nutzung einer Abbildung oder sonstigen Vervielfältigung des genutzten Werkes, auch wenn diese selbst durch ein Urheberrecht oder ein verwandtes Schutzrecht geschützt ist.
Nach der Gesetzesbegründung ist den anlehnenden Nutzungen nach § 51 a UrhG gemein, dass sie an ein oder mehrere vorbestehende Werke erinnern. In Abgrenzung zum unzulässigen Plagiat müssen sie zugleich wahrnehmbare Unterschiede zum Originalwerk aufweisen. Ein Verblassen des Originalwerkes ist nach der Gesetzesbegründung hier aber nicht erforderlich. Die Nutzung des vorbestehenden Werkes muss nach der Gesetzesbegründung einer inhaltlichen oder künstlerischen Auseinandersetzung des Nutzers mit dem Werk oder einem anderen Bezugsgegenstand dienen. Diese Auseinandersetzung ist nach Ansicht des Gesetzgebers Ausdruck der Grundrechte desjenigen, der die Karikatur, die Parodie oder den Pastiche anfertigt, und somit die Rechtfertigung für die Beschränkung des Urheberrechts am vorbestehenden Werk. Insbesondere sind hierbei die Meinungsfreiheit nach Artikel 11 Absatz 1 GRCh, die Pressefreiheit nach Artikel 11 Absatz 2 GRCh oder die Kunstfreiheit nach Artikel 13 GRCh zur Entfaltung zu bringen. Im konkreten Fall ist stets ein angemessener Ausgleich zwischen den Rechten und Interessen des betroffenen Rechtsinhabers und denen des Nutzers zu gewährleisten, wobei sämtliche Umstände des Einzelfalls wie etwa der Umfang der Nutzung in Anbetracht ihres Zwecks zu berücksichtigen sind.
Zum Pastiche lautet die Gesetzesbegründung (a.a.O., Seite 91): „In der Literaturwissenschaft und der Kunstgeschichte wurde der (französische) Begriff des Pastiche ursprünglich verwendet, um eine stilistische Nachahmung zu bezeichnen, also zum Beispiel das Schreiben oder Malen im Stil eines berühmten Vorbilds. Hierbei geht es meist weniger um die Nutzung konkreter Werke als um die Imitation des Stils eines bestimmten Künstlers, eines Genres oder einer Epoche. In der Musik ist der (italienische) Begriff des Pasticcio für anlehnende Nutzungen dieser Art gebräuchlich. Allerdings ist der Stil als solcher urheberrechtlich nicht geschützt. Insofern bedarf es keiner Schranke des Urheberrechts. Deshalb erlaubt der Pastiche im Kontext des Artikels 5 Absatz 3 Buchstabe k InfoSoc-RL über die Imitation des Stils hinaus grundsätzlich auch die urheberrechtlich relevante Übernahme fremder Werke oder Werkteile. Der Pastiche muss eine Auseinandersetzung mit dem vorbestehenden Werk oder einem sonstigen Bezugsgegenstand erkennen lassen. Anders als bei Parodie und Karikatur, die eine humoristische oder verspottende Komponente erfordern, kann diese beim Pastiche auch einen Ausdruck der Wertschätzung oder Ehrerbietung für das Original enthalten, etwa als Hommage. Demnach gestattet insbesondere der Pastiche, nach § 5 Absatz 1 Nummer 2 UrhDaG-E bestimmte nutzergenerierte Inhalte (UGC) gesetzlich zu erlauben, die nicht als Parodie oder Karikatur zu klassifizieren sind, und bei denen im Rahmen der Abwägung von Rechten und Interessen der Urheber und der Nutzer ein angemessener Ausgleich gewahrt bleibt. Zitierende, imitierende und anlehnende Kulturtechniken sind ein prägendes Element der Intertextualität und des zeitgemäßen kulturellen Schaffens und der Kommunikation im „Social Web". Hierbei ist insbesondere an Praktiken wie Remix, Meme, GIF, Mashup, Fan Art, Fan Fiction oder Sampling zu denken. Das Unionsrecht begründet die Pflicht zur Einführung der nun in § 51 a UrhG-E verankerten Erlaubnisse in Artikel 17 Absatz 7 Unterabsatz 2 DSM-RL und ErwG 70 DSM-RL ausdrücklich mit dem Schutz der Meinungs- und Kunstfreiheit. Die gesetzlichen Erlaubnisse müssen stets mit Blick auf die neuen elektronischen Medien gelesen werden (vergleiche bereits ErwG 31 Satz 2 InfoSoc-RL). Bei ihrer Auslegung sollten die Besonderheiten des jeweiligen analogen und digitalen Umfelds sowie der technologische Fortschritt berücksichtigt werden."
Bei dem Pastiche geht es demnach um einen kommunikativen Akt der stilistischen Nachahmung, wobei auch die Übernahme fremder Werke oder Werkteile erlaubt ist. Der Pastiche setzt eine bewertende Referenz auf ein Original voraus (KG – 24 U 66/19 -, Urteil vom 30.10.2019; Pötzlberger, GRUR 2018, 675, 679). Das ältere Werk muss in Abgrenzung zum unzulässigen Plagiat so benutzt werden, dass es in einer veränderten Form erscheint. Dazu reicht es aus, dem Werk andere Elemente hinzuzufügen oder das Werk in eine neue Gestaltung zu integrieren, vgl. § 62 Abs. 4a UrhG. Da die Schranke der Meinungs- und Kunstfreiheit dient, ist ein Mindestmaß eigener Kreativität des Begünstigten erforderlich, ohne dass dabei die für eine Urheberrechtsschutzfähigkeit erforderliche Schöpfungshöhe erreicht werden muss (Hofmann, GRUR 2021, 895, 898; Spindler, WRP 2021, 1111, 1116, jeweils m.w.N.).
Für die Beurteilung ist ein objektiver Maßstab von jemanden anzulegen, dem das vorbestehende Werk bekannt ist und der für die Wahrnehmung der kommunikativen bzw. künstlerischen Auseinandersetzung das erforderliche intellektuelle Verständnis besitzt (BGH – I ZR 9/15 -, Urteil vom 28.7.2016 – auf fett getrimmt, m.w.N.; vgl. KG – 24 U 66/19 -, Urteil vom 30.10.2019: „informierter Betrachter").
Das Bild 2 ist nach Ansicht der Kammer als Pastiche zu qualifizieren. Der Beklagte hat Bild 1 durch eine weitgehende Übernahme stilistisch nachgeahmt. Wer das Bild 1 oder sein Genre kennt, erkennt dieses in Bild 2 als Hintergrund wieder. Es ist davon auszugehen, dass das Bild 1 eine gewisse Bekanntheit jedenfalls dadurch erreicht hat, dass es – egal von wem – im Internet auf gängigen Handelsplattformen jedermann in vielfältiger Form als dekorativer Konsumartikel angeboten wird, was wiederum impliziert, dass die Anbieter gerade in diesem Motiv gute Vermarktungschancen sehen. Unstreitig handelt es sich bei dem Bild jedenfalls um ein typisches Beispiel des entsprechenden Genres. Der Äußerung des Beklagten, er habe in dem Bild 1 ein typisches Kitschbild, wie es dutzendfach im Internet zu finden sei, gesehen, ist der Kläger inhaltlich nicht erheblich entgegengetreten.
Ebenso wie der Gesetzgeber zitierende, imitierende und anlehnende Kulturtechniken als ein prägendes Element der Intertextualität und des zeitgemäßen kulturellen Schaffens in der digitalen Welt anerkennt, ist eine künstlerische Auseinandersetzung in umgekehrter Richtung anzuerkennen, indem etwa wie hier ein digitales Werk, dessen Original eine auf einem Monitor aufrufbare Datei ist, von des Künstlers Hand mit Pinsel und Ölfarbe auf eine Leinwand übertragen wird, um durch die Übertragung eines Computerbildes auf ein klassisches Medium der Bildkunst ein gegenständliches Unikat zu schaffen. Der Wechsel des Mediums alleine lässt zwar in der Regel noch keine über ein Plagiat hinausgehende Befassung mit der Vorlage erkennen, solange weiter dasselbe Motiv einziger Gegenstand der Darstellung bleibt. Im vorliegenden Fall wurde das Bild 1 aber nicht als bloße Kopie, sondern als Hintergrund für ein neues Bild auf die Leinwand übertragen. Bild 1 erschöpft sich in einer eindimensionalen Landschaftsdarstellung ohne eine erkennbare darüber hinausgehende Aussage. Eine so reduzierte Betrachtung verbietet sich bei dem Bild 2. Das Bild 2 wird geprägt von einem hölzernen Balkongebälk, das das Bild als Kreuz belegt und von der daran lehnenden alten nackten Frau, die mit derselben Blickrichtung wie der Bildbetrachter auf den Hintergrund schaut. Erkennbar wird in dem Bild eine menschliche Betrachtung thematisiert, wobei dem Bildbetrachter eine eigene Auseinandersetzung mit der im Bild dargestellten Betrachtungssituation angeboten wird, indem er – wie der Vogel – auf die alte Frau schaut und sich – ohnehin schon in derselben Blickrichtung befindend – in sie hineinzuversetzen versucht. Dass dabei das Bild 1 nicht als einfacher Bildhintergrund kopiert wurde, sondern in einen neuen inhaltlichen Zusammenhang gestellt wurde, wird für jemanden, der sich mit einer Offenheit für Kunst das Bild 2 in Ruhe betrachtet, durch verschiedene künstlerische Elemente erkennbar. Dabei ist von einer Betrachtung des Originals auszugehen, wie sie der Kammer durch eine im Gerichtssaal präsentierte Kopie des Bildes 2 in Originalgröße so gut wie ohne das Original machbar ermöglicht worden ist. Danach ist festzustellen, dass das Bild 1 als Hintergrund in einer gröberen, weniger scharfen Form in das Bild 2 übertragen wurde, in dem der Vordergrund (Körper, Holz) mit einer deutlich größeren, fotorealistischen Schärfe und Detailgenauigkeit kontrastiert. Soweit der Kläger dem entgegenhält, dass auch sein Bild bei einer entsprechenden Vergrößerung gröber aussehe, so handelte es sich zum einen nicht um die typische Betrachtungsweise und würde zum anderen das gesamte Bild eine einheitlich gröbere Auflösung haben, während das Bild des Beklagten auch durch die verschiedenen Detailgrade wirkt. Dazu erkennt der Betrachter des Bildes 2 die collageartige Zusammensetzung aus mehreren Bildelementen verschiedener Stilrichtungen an der in die linke obere Ecke eingefügte Ruine eines sakralen Bauwerks im Stil der Romantik, wie sie von Caspar David Friedrich bekannt sind, ohne dass dessen Standort zu einem einsamen Lavahang passt. Hinzu kommt der in die untere rechte Ecke eingefügte Vogel, der zur alten Frau schaut und in seiner überdimensionalen Größe (ein sperlingsartiger Singvogel, der der Frau bis zum Knie geht und die Breite der Frau erreicht) als bewusste Hinzufügung erscheint. Schließlich wird der Collagecharakter des Bildes 2 dadurch verstärkt, dass der Korbstuhl und die untere Verkleidung des Balkons mit scharfen Kanten unzusammenhängend in den Lavahintergrund übergehen, als seien zwei verschiedene Bilder zugeschnitten und zusammengefügt worden. Während hinter der durchbrochenen Balkonverkleidung grünes Laub durchschimmert, wütet direkt links daneben Lava auf einem dunklen Berghang, ohne dass diese Perspektiven in der Realität miteinander vereinbar wären. Selbst wenn man annimmt, dass dem maßgeblichen Betrachter der Vogel nur als solcher und nicht als ein mystischer Todesbote erscheint, verstärkt dessen Blick auf die Frau, die wiederum mit gesenktem Kopf nach außen schaut, die Betrachtungsperspektive, in der das Bild 1 nur als ein erkennbar eingefügter Hintergrund als Teil einer Collage verschiedener Bildelemente erscheint. Der referierende, bewertende Bezug zum Bild 1 ist darin zu sehen, dass ein typisches Kitschbild, das dem Konsumenten etwas Schönes, Attraktives bieten soll, zum Inhalt einer collageartigen Darstellung, die seine Betrachtung in einem anderen, kritischen Zusammenhang erzwingt, gemacht wird, wobei der Bildbetrachter sich in die Positionen einer älteren Person versetzt, die mit gesenktem Kopf und damit offenbar nachdenklich oder niedergeschlagen und nackt, also unverstellt und ungeschönt, auf ein Panorama blickt, bei dem das lebendige Grün im Vordergrund nahe dieser Person rundherum von einer düsteren, irreal wirkenden Szenerie verdrängt wird. Sei es als ein Rückblick auf das bisherige Leben oder als ein Ausblick auf das noch Kommende, wird das positiv Dekorative des Bildes 1 in Bezug genommen und in Frage gestellt. Dabei reicht es aus, dass der Beklagte das Bild 1 nur als ein Beispiel für sein Genre ausgewählt hat und eine Referenz zu diesem Genre herstellen wollte. Die inhaltliche Auseinandersetzung des Beklagten mit dem Bild 1 bzw. dem dadurch repräsentierten Genre kitschig-dekorativer Landschaftsmotive geschieht antithematisch. Der Kläger sieht das Bild 1 als Ausdruck der Hoffnung, der Erschaffung von neuem Land und neuem Leben sowie als Bild der Wiedergeburt. Jedenfalls wird dem Bild 1 eine positive, dekorative Wirkung zugeschrieben, anderenfalls es nicht zu erklären wäre, dass gerade dieses Bild von Dritten als vielfältige Dekoration im privaten Lebens- und Konsumbereich angeboten wird, wobei das Motiv auf einem Teppich, als Wandbild oder als Türbeschichtung das persönliche Lebensumfeld dauerhaft und präsent prägt, also in der Regel eine positive Wirkung entfalten und dem Wohlfühlen dienen soll. Diese Wirkung wird im Bild 2 umgekehrt. Das Blattgrün, wie es im nahen Umfeld der Frau noch jenseits der Balkonbrüstung scheint, wird von einer dramatischen Lavalandschaft umgeben und verdrängt. Links unten kommen neben dem Grün tote Äste ins Bild, oben links erscheint deplaziert ein kirchenartiges Gewölbe. Die Bildeinteilung wird durch das massive Holzkreuz des Balkongeländers geprägt, wobei Ähnlichkeiten mit einem Grabkreuz nicht fern liegen. Auf dieses Kreuz gestützt, lässt die kraftlose Haltung und der hängende Kopf der Frau Resignation erkennen. Die Betrachtung eines Hintergrundes, dessen kitschige Illusion für sich betrachtet vielen attraktiv erscheinen mag, entfaltet dort offenbar keine positive Wirkung mehr. Mit Begriffen wie Hoffnung, neues Leben oder Wiedergeburt ist das Bild 2 nicht in Verbindung zu bringen. In der neuen, gegensätzlichen Betrachtung der Landschaft liegt eine, kritische antithematische Befassung mit dem Bild 1, das als negativ wahrgenommener Dekorationskitsch präsentiert und damit in Frage gestellt wird. Dass das Bild 1 dabei nicht nur ein vom Beklagten geschaffenes Hintergrundmotiv ist, sondern eines der vorgefundenen Elemente, die in dem Bild collageartig zu einem neuen Ganzen zusammengefügt wurden, wird aus der Malweise mit unterschiedlicher Detaillierung, scharfen, unzusammenhängenden Bildübergängen und der Zusammenstellung verschiedener nach Thema, Standort und Maßstab nicht zusammen passender Elemente (Kapelle, Vogel) sowie durch die deutliche Naht, die rechts von der Balkonstütze senkrecht durch das Bild verläuft und den Eindruck eines collageartig „zusammengeklebten" Werkes verstärkt, indem der Hintergrund wie aus mehreren Teilen bestehend zusammenmontiert wirkt."
Auch die Interessenabwägung, ob die Freistellung des Pastiche durch die Schranke des § 51 a UrhG im konkreten Fall einen angemessenen Ausgleich zwischen dem Eigentumsrecht und sonstigen schützenswerten Interessen des Urhebers des "Scorched Earth" auf der einen Seite und der Kunst- und Meinungsfreiheit des Beklagten, des Malers Martin Eder, auf der anderen Seite gewährleistet, geht nach Ansicht des LG Berlin zu Gunsten des Beklagten aus:
"Der Beklagte hat das Bild 1 als Vorlage eines Bestandteils seines Werkes genommen. Er hat sich dabei nicht einfach die Mühe erspart, einen eigenen Hintergrund passenden Aussehens zu schaffen. Es ging dem Beklagten vielmehr gezielt darum, als Hintergrund etwas bereits Vorhandenes zu übernehmen und zum erkennbar fremden Bestandteil eines neuen Werkes zu machen. Das bedingt gerade eine weitgehend werkgetreue, erkennbare Übernahme des Bildes 1.
Auch wenn es aus Sicht der Kammer nicht darauf ankommt, dass eine bestimmte künstlerische Arbeitsweise bereits etabliert ist, sondern auch schon der erste Ausdruck einer neuen künstlerischen Arbeitsweise der Kunstfreiheit unterliegt, bekräftigt die bisherige Ausdrucksweise des Beklagten, vorhandene Darstellungen aller Art und verschiedener Stile zu einem neuen Werk zusammen zu fügen und damit in einen neuen Zusammenhang zu stellen, seine künstlerische Aussage im Bild 2. Dies ist über den Grundsatz, dass kein Künstler in einer Art Vakuum bei Null anfängt, sondern in einer Welt kultureller Geschichte wirkt und daher zwangsläufig mehr oder weniger auf Vorhandenem aufbaut (vgl. Schack, GRUR 2021, 904, 906), hinausgehend die Haltung eines Künstlers, gezielt vorhandene Elemente verschiedener Stilrichtung erkennbar als Material und Motiv des eigenen Bildschaffens zu übernehmen und damit bewusst schon Geschaffenes neu zu verarbeiten. Dies haben verschiedene Kunsthistoriker, die sich bereits vor der Schaffung des Bildes 2 mit der Arbeit des Beklagten befasst haben, festgestellt. Nach der Kunsthistorikerin Dr. Bettina R2. ist der Zugang des Beklagten zur Malerei konzeptueller Natur, wobei sich sein Werk aus vielen Quellen von kunsthistorischen Vorlagen bis zur täglichen Bilderflut im Internet speist (Anlage B 41, 2017). Die Kunsthistorikerin Leonie P. sieht es als Bestandteil der Arbeit des Beklagten an, ein Grauen in eine schöne Oberfläche, in Stereotypen und Symbolbilder, die eigentlich etwas ganz anderes meinen, zu verpacken (Anlage B 42, 2017). Die Kunsthistorikerin Stefanie M. sieht den Beklagten aus dem unendlichen Bildfundus der Kunst, der Historie und der Werbung schöpfen, um diesen mit Utopien und eigenen Imaginationen zu mischen (Anlage B 44, 2009). Die Übernahme vorgefundener Motive des Kitsches oder des Trashs kann durchaus als stilprägend für das Werk des Beklagten angesehen werden (KG – 24 U 66/19 -, Urteil vom 30.10.2019).
Was der Gesetzgeber mit dem Pastiche im Sinne des § 51 a UrhG als zeitgemäßes kulturelles Schaffen und Kommunikation im sogenannten Social Web ermöglichen will, wobei er insbesondere an Praktiken wie Remix, Meme, GIF, Mashup, Fan Art, Fan Fiction oder Sampling gedacht hat, muss auch für eine künstlerische Ausdrucksweise in „umgekehrter" Richtung, digitale Bilddateien, die auf einem digitalen, weltweiten Internetmarkt kommerziell verwertet werden, in ein klassisches Ölgemälde zu übertragen und dort in einem eigenen inhaltlichen, schöpferischen Sinne wiedererkennbar zu präsentieren, gelten. Die größere schöpferische Leistung und der größere Abstand, ein Digitalbild nicht im copy-and-paste- Verfahren zur Grundlage eines eigenen Digitalbildes zu machen, in das digital noch einige weitere Elemente eingefügt werden, um dieses dann als neues elektronisches Medium zu vermarkten, sondern es stattdessen von Hand mit Ölfarben und Pinsel auf eine Leinwand zu übertragen, um ein analoges Unikat zu schaffen, spricht aus Sicht der Kammer gerade nicht gegen die Anwendung des § 51 a UrhG auf ein Ölgemälde.
Der Beklagte stellt einen erheblichen Abstand zwischen den Werken her, indem er ein ganz anderes Medium wählt. Während Bild 1 eine am Computer erzeugte Bilddatei ist, die an einem Computermonitor sichtbar gemacht wird und daher auf die Wiedergabegröße des jeweiligen Monitors (in der Praxis typischerweise vom Mobiltelefon bis zum Laptop) beschränkt ist, wobei die Farbwirkung zweidimensional (Bildschirmoberfläche) durch die gleichmäßige Hinterleuchtung des Monitors entsteht, ist das Bild 2 ein großformatiges, mit dem Pinsel und Ölfarben auf eine Leinwand gemaltes Unikat, dessen Farbwirkung gewissermaßen dreidimensional (Farbschichtenauftrag mittels Pinsel) durch die individuelle Beleuchtung von außen entsteht. Wer das Originalwerk des Beklagten in seiner durch das Leinwandformat vorgegebenen festen Größe sehen will, ist auf eine Ausstellung des Bildes angewiesen. Er sieht sich dann nicht irgendeinem flüchtigen Monitorbild, sondern einem großformatigen Ölbild gegenüber, was naturgemäß einen ganz anderen optischen Eindruck erzeugt.
Der Beklagte verfolgt mit dem Bild 2 keine Vermarktungsabsichten. Er sieht das Bild als ein Unikat an. Dieses hat er bei kostenfreiem Zutritt ausstellen lassen und dann einem befreundeten Sammler überlassen. Dass er dafür Geld bekommen hat, ist nicht ersichtlich. Der Beklagte hat dabei das Bild 1 so übernommen, dass sein Bild 2 nicht damit verwechselt wird, sondern nur daran erinnert, indem der Betrachter den Hintergrund als ein collageartig eingefügtes Motiv erkennt. Eine Entstellung des Bildes 1 ist damit nicht verbunden. Der Beklagte verwendet den Stil des Bildes 1 als Bestandteil seiner eigenen künstlerischen Aussage, wobei es eine Geschmacksfrage des jeweiligen Betrachters ist, ob er das Bild 1 oder dessen Stil positiv oder negativ bewertet.
Auf der anderen Seite wird der Kläger in seinen Möglichkeiten, das Bild 1 primär und sekundär zu verwerten, durch das Bild 2 nicht eingeschränkt. Das Bild 2 wird nicht als Reproduktion oder als Dekoration für irgendwelche Produkte verwertet. Soweit es vervielfältigt wurde, geschah dies nur im erkennbaren Zusammenhang mit der Ausstellung dieses Bildes oder mit dem künstlerischen Schaffen des Beklagten, wobei es hier ohnehin nur auf dem Beklagten zuzurechnende Verwertungshandlungen in Deutschland ankommen kann. Dass dadurch die eigenen Verwertungsmöglichkeiten des Bildes 1 eingeschränkt werden, hat der Kläger nicht dargetan. Vielmehr sorgt der Kläger selbst dafür, dass das Bild 2 im Internet weiterhin abrufbar bleibt, indem er dieses an hervorgehobener Stelle seines Internetauftritts präsentiert, während der Beklagte sein Bild 2 nicht mehr im Internet abrufbar macht. Auch wenn dem Urheber des Bildes 1 nicht jede nur denkbare wirtschaftliche Verwertungsmöglichkeit zugewiesen bleiben muss, ist hier kein konkreter Anhaltspunkt dafür erkennbar, dass der Kläger durch das Bild 2 in den wirtschaftlichen Verwertungsmöglichkeiten des Bildes 1 irgendwie eingeschränkt werden könnte. Der Kläger macht eine solche Einschränkung auch nicht geltend. Eine solche wirtschaftliche Beeinträchtigung liegt viel mehr in der umfassenden kommerziellen Verwertung des Bildes 1 durch Dritte für alle möglichen Dekorations- und Konsumartikel auf Online- Verkaufsplattformen, die nach dem Vortrag des Klägers ohne sein Einverständnis und ohne sein Zutun, mithin unter Verletzung seiner (hier unterstellten) Urheberrechte stattfindet, ohne dass dem Klägervortrag ein ernsthaftes und nachhaltiges Bemühen um eine Unterlassung, ggfs. durch entsprechende Ansprache der Plattformbetreiber, zu entnehmen ist. Da auch hier auf das Klagebegehren abzustellen ist, nach deutschem Recht vor bestimmten Verwertungshandlungen geschützt zu werden und danach aus Sicht der Kammer allenfalls auf eine Wiederholungsgefahr hinsichtlich des öffentlich Zugänglichmachens des Bildes 2 durch den Beklagten im Internet abzustellen ist, bleibt dem Kläger im Rahmen dieser Abwägung vorzuhalten, dass er selbst erheblich zur Abrufbarkeit des Bildes 2 im Internet beiträgt, indem er es fortdauernd an prominenter Stelle in seinem eigenen Intemetauftritt präsentiert, während der Beklagte das Bild aus seinem Intemetauftritt längst entfernt hat.
Das Eingreifen der Schranke des Pastiches setzt nicht voraus, dass in/an dem Werk (oder anderweitig) die Schöpfer übernommener Werke benannt werden. Zum Streitgegenstand gemacht hat der Kläger seine Benennung nicht. Die Schranke bedingt auch nicht, sich zuvor von dem Urheber des übernommenen Werkes Nutzungsrechte einräumen zu lassen, etwa gegen eine Lizenzzahlung. Soweit eine Übernahme fremder Werke oder Werkteile nach § 51 a UrhG erlaubt ist, muss der Urheber des übernommenen Werkes dies ohne Weiteres hinnehmen, weil seine Urheberrechte dadurch gerade nicht verletzt werden. Wer ein Werk schafft und veröffentlicht, setzt es damit auch einer eigenmächtigen Auseinandersetzung in den Schranken des § 51 a UrhG aus. Sein Urheberrecht ist von vomeherein nur in den gesetzlichen Schranken gewährt, wird also durch eine Wahrnehmung der Schrankenbefugnisse nicht verletzt.
Das Interesse des Beklagten, seine Meinung in der künstlerischen Gestalt collageartiger, referenzierender Übernahmen von vorhandenem Bildmaterial aller Art auszudrücken und dabei den für ihn nach eigener Darstellung und der Darstellung von Kunsthistorikern prägenden künstlerischen Stil zu pflegen, überwiegt das Interesse des Klägers an der Wahrung seines Eigentums und seines Urheberrechts nach Vorstehendem deutlich."
Bild: A pastiche created by the user, by combining elements of two PD-art files, in Photoshop, in order to illustrate the term "pastiche" and for use in Wikipedia:art forgery
Quellenangabe Bild: By User - left image is Image:Sandro Botticelli 068.jpg, right image is Image:Antonio Pollaiuolo 005.jpg, CC BY-SA 3.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=908604