Ein eBook-Händlern (Amazon) haftet nicht verschuldensunabhängig auf Unterlassen und Aufwendungsersatz wegen behaupteter Urhberrechtsverletzungen durch von ihnen angebotene Bücher (OLG München, Urt. v. 24.10.2013, Az. 29 U 885/13 – Buchbinder Wanninger).
Zwar sei ein Buchhändler hins. des eigene Angebots von z.B. Büchern grundsätzlich als "Täter" i.S.d. Urheberrechts (§ 17 UrhG) anzusehen. Die daraus folgende Haftung müsse aber wie bspw. bei eBay oder Amazon Marketplace als Forums-/Marktplatzbetreiber eingeschränkt werden, denn andernfalls wäre die Folge, dass "Buchhändler in unabsehbarer Weise der Gefahr von Abmahnungen wegen behaupteter Urheberrechtsverletzungen und der damit verbundenen Kostenbelastung ausgesetzt wären, die sich wegen des damit verbundenen immensen Aufwands ... nicht in zumutbarer Weise durch eine Prüfung der angebotenen Bücher eingrenzen ließe und deshalb das Geschäftsmodell des breitgefächerten Angebots von Büchern jeder Art in Frage stellen könnte."
Buchhändler und eBook-Händler sind nach Auffassung des OLG München in besonderem Maße in den Schutzbereich des Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG (Meinungs- und Informationsfreiheit) einbezogen, weil sie wichtige "Hilfstätigkeiten für die Herstellung und Aufrechterhaltung des auf Verwirklichung der Meinungsäußerungs- und Informationsfreiheit gerichteten Kommunikationsprozesses" erbringen. Diese Grundrechtsposition ist abzuwägen mit den Rechte des geistigen Eigentums der Urheber.
Daraus folgt nach Ansicht des OLG München ein "differenziertes Haftungsregime", in dem die Haftung des Händlers "auf solche Verstöße beschränkt wird, die begangen werden, nachdem er auf eine klare Rechtsverletzung hingewiesen worden ist". Bei einer wirtschaftlichen Betrachtung beschränke sich der Nachteil für die Urheber darauf, dass sie etwaige Kosten für einen "abmahnungsähnlichen ersten Hinweis auf die Rechtsverletzung" selbst tragen müssen.
Das OLG München schließt sich damit den Buchhändler-Entscheidungen des LG Berlin und des LG Hamburg an, sowie der Ansicht des OLG Köln zur Haftungsprivilegierung sog. reCommerce-Medienhändler, s. hier.
Auch aus dieser Entscheidung des OLG Münchens lässt sich ein Haftungsprivileg für Medienhändler allgemein ableiten, denn ihr Beitrag zu dem in einer demokratischen Gesellschaft besonders wichtigen Informations- und Meinungsbildungsprozess ist unabhängig von der Art und Beschaffenheit des Medienträgers und davon, ob Meinungen und Information durch geschriebenes oder gesprochenes Wort, musikalisch oder verfilmt transportiert werden.
Eine Anmerkung von Rechtsanwalt Dr. Urs Verweyen zum "Buchbinder Wanninger" / eBook-Urteil des OLG München ist in GRUR-RR 2014, Heft 1, S. 13 ff. erschienen. S. auch Meldungen bei heise und in der Abendzeitung.